PCK Schwedt: Öl aus Kasachstan fließt nach Drohnenangriff wieder stabil

Veröffentlicht von Jakob Fichtenbauer an September 5, 2025 AT 17:03 0 Kommentare

PCK Schwedt: Öl aus Kasachstan fließt nach Drohnenangriff wieder stabil

Lieferungen normalisieren sich nach Drohnenangriff

Die Versorgungslage für die Raffinerie in Schwedt entspannt sich spürbar. Nach Reparaturen an einer beschädigten Pumpstation in der russischen Region Tambow soll der Ölstrom aus Kasachstan bis Ende dieser Woche wieder auf Normalniveau liegen. Das bestätigt Rosneft Deutschland, größter Anteilseigner der Anlage. Der Ausfall ging auf Drohnenangriffe zurück, die Ende des vergangenen Monats die Durchleitungsinfrastruktur auf der nördlichen Route der Druzhba-Pipeline vorübergehend aus dem Takt gebracht hatten.

Die Raffinerie an der Oder ist ein Schlüsselbetrieb für Ostdeutschland. Sie versorgt Berlin und Brandenburg mit Diesel, Benzin, Heizöl und Kerosin. Früher kam der Rohstoff fast komplett über die Druzhba aus Russland. Seit den EU-Sanktionen gegen russisches Öl nach dem Angriff auf die Ukraine hat Deutschland die Bezugsquellen umgestellt – und setzt bei Schwedt zunehmend auf kasachisches Rohöl, das über dieselbe Leitung transitierend durch Russland geliefert wird.

Laut Rosneft Deutschland kommen derzeit rund 120.000 Tonnen kasachisches Öl pro Monat über die Druzhba nach Brandenburg. Dass die jüngsten Schäden spürbar waren, überrascht nicht: Eine Pumpstation ist das Herzstück einer Pipeline. Fällt sie aus, sinkt der Druck, Stränge werden gedrosselt, Lieferungen verzögern sich. Nach den Reparaturen soll der Fluss nun wieder stabil laufen. Die Raffinerie konnte die Zwischenzeit mit Lagerbeständen und zusätzlichen Mengen aus Rostock überbrücken, doch die Pipeline bleibt der wichtigste Hebel für hohe Auslastung.

Technisch läuft das so: Kasachstan vermarktet sein Exportöl seit 2022 unter der Bezeichnung KEBCO (Kazakh Export Blend Crude Oil), um es gegenüber russischem Rohöl klar zu kennzeichnen. Transneft leitet die Fässer als Transit durch Russland, KazTransOil koordiniert auf kasachischer Seite. Für Deutschland ist das ein Balanceakt: Man umgeht russische Herkunft, bleibt aber fürs Nadelöhr Pipeline auf russisches Territorium angewiesen – und damit auf eine Infrastruktur, die inzwischen zum Ziel von Angriffen geworden ist.

Die Bedeutung der Anlage kann man nicht überhöhen: Läuft PCK Schwedt rund, sind Tankstellen in Berlin weniger störanfällig, und der Flughafen BER bekommt Kerosin aus der Region statt aus fernen Importhäfen. Deshalb investiert der Bund parallel in Alternativen, vor allem in den Ausbau der Pipeline von Rostock nach Schwedt. Sie soll mehr Seefracht aus der Ostsee anlanden und Richtung Uckermark drücken können – als zweites Standbein neben der Druzhba.

Was die Verträge mit Kasachstan für Deutschland bedeuten

Politisch flankiert wird die technische Stabilisierung durch neue Lieferverträge. Bei Kanzler Olaf Scholz’ Reise nach Zentralasien wurden Vereinbarungen geschlossen, die Deutschland bis Ende 2025 monatlich 100.000 Tonnen kasachisches Rohöl sichern – plus eine zweite Option über bis zu 50.000 Tonnen pro Monat. Zusammen deckt das den Kernbedarf Schwedts via Pipeline ab und schafft Spielraum, um die Rostocker Route für Spitzenzeiten und Mischqualitäten zu nutzen.

Kasachstan hat seine Rolle im deutschen Importmix 2023 deutlich ausgebaut: Von zuvor rund 6,5 Millionen Tonnen stiegen die Lieferungen auf 8,5 Millionen Tonnen. Damit kommt das Land auf 11,7 Prozent an den deutschen Rohöleinfuhren und liegt hinter Norwegen und den USA auf Rang drei. Für Berlin zählt weniger der Preis als die Planbarkeit. Verlässliche Mengen machen die Raffinerie planbar – und senken das Risiko, dass Regionalmärkte nervös reagieren, wenn global etwas schiefgeht.

Ein neuralgischer Punkt bleibt: Der Transit führt durch Russland. Das macht die Route verwundbar – für erneute Angriffe, technische Störungen oder politische Störfeuer. Genau deshalb drückt die Bundesregierung beim Ostsee-Korridor aufs Tempo. Mehr Durchsatz zwischen Rostock und Schwedt würde das Risiko besser streuen. Auch Lieferungen über Polen haben zuletzt geholfen, doch sie sind stets abhängig von Marktpreisen, Mengenfenstern in Gdansk und der Lage auf der polnischen Binnenpipeline.

Operativ meldet Rosneft Deutschland, dass die Gespräche mit Kasachstan über eine Ausweitung und Verlängerung der Importe über 2025 hinaus „planmäßig“ laufen. Das ist mehr als nur Beruhigung: Für eine Raffinerie braucht es langfristige Crude-Slate-Planung, also verlässliche Qualitäten und Mischungen. Kasachisches Öl ist zwar nicht identisch mit früheren russischen Qualitäten, lässt sich aber in Schwedt verarbeiten – notfalls mit Beimischungen aus Seefracht. Je stabiler die Pipelinemengen, desto besser lässt sich die Produktion von Diesel, Benzin und Kerosin optimieren.

Was heißt das für Verbraucher? Große Preissprünge allein wegen der Tambow-Störung sind unwahrscheinlich. Der globale Ölmarkt und Wechselkurse treiben die Zapfsäule stärker als regionale Engpässe, solange die Raffinerie nicht stark drosseln muss. Für die Region ist die Botschaft dennoch handfest: Stabilere Pipelineflüsse nehmen Druck von der Logistik, senken Zusatzkosten für Umwege und sichern die Auslastung – und damit Jobs.

Im politischen Hintergrund läuft weiter die Treuhandlösung für Rosneft Deutschland, die der Bund im Herbst 2022 angeordnet hat. Sie soll sicherstellen, dass Entscheidungen in Schwedt entlang deutscher Energiepolitik fallen und nicht von Sanktionen ausgebremst werden. Vertreter der deutschen Tochter sind an den Abmachungen mit Kasachstan in Astana beteiligt. Das Konstrukt ist kompliziert, aber es verschafft der Bundesregierung Handlungsspielraum – und der Raffinerie Planungssicherheit.

Der Blick nach vorn hängt an drei Faktoren: Erstens an der Resilienz der Druzhba-Infrastruktur, die immer wieder ins Fadenkreuz geraten ist. Zweitens am Ausbau der Rostock-Schwedt-Pipeline, die als Versicherung dienen soll. Drittens an der Frage, wie stark Kasachstan seine Exporte über Russland langfristig routen will und kann. Für den Moment gilt: Die Leitungen füllen sich wieder, die Verträge stehen – und Schwedt kann die Drehzahl hochfahren.